(klick auf das Banner leitet zu einer separaten Seite)Das Problem mit der DaumenkralleProblem? Nein, eigentlich ist es gar keins. Aber es gibt in Deutschland immer noch Windhundezüchter, die eins daraus machen (augenfälligerweise oft Leute, die noch nie einen daumenintakten Hund hatten und nur vom Hörensagen leben). Windhundesport ist Sport, und Sport trägt nun mal die Gefahr von Verletzungen mit sich. Verletzungen kann und sollte man vorbeugen, keine Frage. Der Eine tut es, weil ihm das anvertraute Tier viel wert ist, der Andere, weil er nicht möchte, das sein Tier längere Zeit verletzungsbedingt ausfällt. Viele auch aus beiden Gründen. Manch einer denkt dabei durchaus vorausschauend über die damit verbundenen Massnahmen und Folgen nach. Windhunde rennen mit den Pfoten. Deshalb sind Verletzungen an den Beinen und Pfoten naturgemäss am Häufigsten zu finden, abgerissene Ohren sind hingegen selten. Genaue Statistiken über die Verletzungshäufigkeit bestimmter Gliedmassen liegen allerdings nicht vor, und da selbst viele Hundehalter Begriffe wie Daumen und Wolfskralle miteinander verwechseln, andererseits Verletzungen aber auch völlig unterschiedlich eingestuft werden (ein Cut am Bein hat nichts mit einer Fraktur zu tun, ist aber auch Verletzungen am Bein), wird sich diese Informationslage mit Sicherheit auch nicht durchgreifend verbessern (schaffen wir es doch nicht einmal, bei so einfach zu prüfenden Sachen wie dem Myostatin-Gendefekt eine Übersicht über die gesamte Population innerhalb eines Landes zu erhalten, weil wir einfach nur bestimmte Teile der Population prüfen statt aller betroffenen Individuen). Hunde
haben pro Vorderfuss 5 normal ausgebildete 5 Mittelhandknochen und 5
Zehen, davon ein Zeh etwas kürzer, der sogenannte Daumen. -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Nun also zurück zum Problemfall Daumen. In der Vergangenheit hatte sich der Brauch eingebürgert, Welpen speziell der Rassen Whippet und Greyhound unmittelbar nach der Geburt die Daumen abzuknipsen. Wohlgemerkt, nicht die Kralle, sondern das Organ. Begründet wurde dies mit dem Argument der Verletzungsprophylaxe. Wir erinnern uns - es liegen keinerlei gesicherte Daten über die Häufigkeit der Verletzungen und über die Zahl der betroffenen Hunde vor. Was heisst das? Ein Tierarzt oder (falls sich kein Tierarzt mehr für dieses "Geschäft" findet) der Züchter selbst schneidet den Welpen 1-2 Tage nach der Geburt mit einer Schere die Daumen ab, eventuell verödet er die entstandenenen Wunden noch. Der Eingriff erfolgt ohne Betäubung. Schauen
wir uns doch mal an, was da tatsächlich passiert: dem "Operateur" ist
es aufgrund fehlender Präparation des darunter liegenden Gewebes nicht
möglich, den genauen Ort der Amputation zu sehen, er wird also
unweigerlich "irgendwo" schneiden und Knochen und Muskeln/Sehnen
durchtrennen. Nerven und Blutgefässe vernachlässigen wir an dieser Stelle mal. Das durch diese Art der "Operation" Schäden gesetzt werden, deren Ausmass nicht beurteilbar ist, dürfte ohne weitere Erklärung auskommen. Nun haben wir also einen Eingriff, den jedes veterinärmedizinische Lehrbuch der Neuzeit nur unter ganz bestimmten Indikationen und in einer komplett anderen Vorgehensweise beschreibt (lediglich die Entfernung der nicht knöchern verbundenen Wolfskralle wird gelegentlich noch per Scherenschlag beschrieben, aber auch hier jeweils unter Betäubung). Natürlich, die Starstecher und Bader im Mittelalter haben ihre Operationen (meist) auch erfolgreich durchgeführt, die Frage ist, ob sie heute auch noch so praktizieren dürften. Warnung: Achtung, die nachfolgenden Videos beinhalten schwere Gewalteinwirkungen auf Menschen und Hunde! Wer ein interessantes Video zu Eingriffen ohne Betäubung sehen möchte, sollte sich (gute Nerven vorausgesetzt!) das Video auf dieser Seite anschauen. Gut, dieses vorherige Video betrifft ein Menschenkind, wir haben es ja hier von Hunden. Also dann hier eine Amputation der Daumen beim Welpen. Auch dieser Welpe hat offensichtlich keinerlei Probleme, oder? Oder bei diesem kleinen Border Collie? Das Internet ist voll mit weiteren Videos dieser Art... -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Nun mal ein Link zu einem anderen Video, das zeigt, dass die Daumen ganz gewiss nicht nutzlos sind! -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Risiko - Arthrose! Kommen wir nun zu den Spätschäden. Je weiter Richtung Mittelhandknochen hin der Daumen abgesetzt wird, desto instabiler wird das gesamte Gelenk. Tatsächlich - es muss nichts passieren, aber das Risiko steigt. Bereits 2003 hat sich eine kanadischee Ärztin darüber so ihre Gedanken gemacht und veröffentlicht. Wer also einen gesunden Welpen haben möchte, sollte sich den Kauf eines amputierten Tieres gründlich überlegen, es sei denn, er spekuliert darauf, den Züchter später für die Spätschäden und Behandlungskosten haftbar zu machen. Tja, und wer jetzt sagt, "Arthrose - nee, mein Hund kriegt sowas nicht", der sollte sich mal noch diesen Link über Amputationsneurome reinziehen. Klar, Hunde sind keine Menschen, aber der allgemeine physische Aufbau und die Funktion der Gewebe sind nun mal gleich. Jede überflüssige Amputation ist auch gleich einem überflüssigen Amputationsneurom. -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Einer der beiden Verbände, in denen in Deutschland im VDH Whippets gezogen werden (WCD) , erklärt , dass die Amputation der Daumen innerhalb ihres Zuchtverbandes verboten ist. Der zweite Verband (DWZRV) hat nun nachgezogen und verbietet die Amputation, jedoch bleibt der Eingriff für den Züchter nach wie vor ohne Folgen und die Würfe werden abgenommen. -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Und noch was interessantes: Hier mal ein Auszug der aktuellen Gebührenordnung für Tierärzte (bearbeitet nach dem Bundesgesetzblatt)
Was fehlt da für ein Eingriff? Richtig - präventive Daumenamputation bei Saugwelpen! Und das in der deutschen GOT? -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Die rechtliche Seite Tierschutzgesetz - TierSchG Fassen
wir kurz zusammen, Eingriffe ohne Betäubung sind nicht zugelassen; alle
aufgeführten Ausnahmefälle betreffen definitiv keine Hunde § 6 Fassen wir kurz zusammen, für den Eingriff muss eine tierärztliche Indikation vorliegen Eingriffe
nach Satz 2 Nr. 1 und 5 sind durch einen Tierarzt vorzunehmen;
Eingriffe nach Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Absatz 3 dürfen auch durch eine
andere Person vorgenommen werden, die die dazu notwendigen Kenntnisse
und Fähigkeiten hat. Im Anschluss an die Kastration eines über sieben
Tage alten Schweines sind schmerzstillende Arzneimittel einschließlich
Betäubungsmittel bei dem Tier anzuwenden. Für die Eingriffe nach Satz 2
Nr. 4 gelten die §§ 8b, 9 Abs. 1 Satz 1, 3 und 4, Abs. 2 mit Ausnahme
des Satzes 3 Nr. 6, Abs. 3 Satz 1 sowie § 9a entsprechend. Die
Eingriffe sind spätestens zwei Wochen vor Beginn der zuständigen
Behörde anzuzeigen. Die Frist braucht nicht eingehalten zu werden, wenn
in Notfällen eine sofortige Durchführung des Eingriffes erforderlich
ist; die Anzeige ist unverzüglich nachzuholen. Die in Satz 6 genannte
Frist kann von der zuständigen Behörde bei Bedarf auf bis zu vier
Wochen verlängert werden. In der Anzeige sind anzugeben: Fassen wir kurz zusammen, diese Eingriffe sind anmeldepflichtig, es sei denn, es handelt sich um einen Notfall Eine tierärztliche Indikation? Nun, ich würde gern diesen Tierarzt sehen, der mit der grossen Glaskugel da steht und ermittelt, welcher der 6 oder 8 Welpen aus dem Wurf später mal eine sportliche Laufbahn einschlägt oder Gefahr laufen könnte, sich im Freilauf zu verletzen! Selbst bei Würfen aus Leistungslinien kann der Züchter nicht garantieren, das alle Welpen später mal auf die Rennbahn oder zum Coursen kommen (sogar gute und bekannte Züchter haben ja schon ab und an Probleme, alle Welpen unterzubringen, geschweige denn einige Neuzüchter, die oft auf der Hälfte des Wurfes sitzenbleiben und im Internet Werbung wie für sauer Bier machen müssen). Wie
schaut es dann bei Vertretern der "Showlinien" aus? Sind diese Hunde,
die Aufgrund ihres Gebäudes nicht zu so absoluten
Spitzengeschwindigkeiten wie die Renner in der Lage sind, eventuell
mehr gefährdet? Oder geht es hier um Schönheit, wenn die Daumen fehlen? -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Vorbeugung tierschutzgerecht Der erste Schritt zur Vorbeugung von Krallenverletzungen ist - und zwar egal für welche Kralle - eine anständige Krallenpflege. Da die Daumen sich nun mal nicht so ablaufen wie andere Krallen, muss man hier noch regelmässiger mit Feile oder Dremel ran. Abknipsen geht auch, wenn man einen sehr scharfen Knipser benutzt und damit die natürlichen Knabbereien des Hundes gut nachahmen kann (viele Hunde knabbern sich die Daumennägel tatsächlich selbst gern kurz und müssen nur ein wenig kontrolliert werden). Eine kurze Kralle ist 3/4 der Prophylaxe! Für besonders gefährliche Momente gibt es dann noch verschiedene Hilfsmittel. Besonders gefährdet sind die Daumen immer dann, wenn Hund mit hoher Geschwindigkeit bremst. Die übelste Situation aus Sicht des Daumens also ist das Rennen auf Grasbahnen mit Grasauslauf. Schnellste Lösung sind oft Klettverbände (wie z.B: von Benecura), die auch ungeübte Hundehalter relativ einfach anwenden können und die auch eine Alternative für den Freilauf sind. Auf Rennen bevorzuge ich (weil einfach enger anliegend) selbstgewickelte Tapes. Dazu werden ca. 4 cm breite adhäsive Binden benutzt, die von aussen nach innen über den Daumen mit ganz leichtem Zug etwa 2-3 mal um das Gelenk gewickelt werden. Der Daumen wird dabei NICHT direkt auf den Fuß gewickelt sondern mittels eines Schlitzes in der Binde erst in der zweiten Runde des Tapes eingebunden. Dadurch kann sich der Daumen beim Bremsen und in Kurven nach wie vor bewegen, steht aber nicht ab und ist so geschützt. Ach
ja: ich habe nun kummulierte 60 Jahre Hundeerfahrung (verteilt auf 6
Hunde), und nicht EINMAL eine durch Bremsbelastung verunfallte
Daumenkralle (hmm, abgesehen die durch die Bremsbelastung des Autos auf
Juniors Fuss bei dem Verkehrsunfall, die zähle ich da jetzt bitte nicht
dazu, die hat aber auch nicht dazu geführt, dass die Kralle gezogen
werden musste). Wir hatten einige Male eine abgerissene
Wolfskralle bei Junior, die wuchs dann nun sehr spärlich und ein wenig
verkrüppelt nach und machte auch keine Probleme mehr. Wir hatten in
diesen 60 Hundeerfahrungsjahren insgesamt 3 Mal Verletzungen an anderen
Krallen, und ich selbst reisse mir ständig die Nägel bis ins Fleisch
ein, werde deshalb aber trotzdem nicht amputieren... -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Nochmal zur Klarstellung - ich bin die Letzte, die sich gegen medizinisch notwendige Eingriffe wendet! Sollte ein Hund wiederholt Probleme mit den Daumen (oder anderen Zehen) haben, die sich auch trotz sorgfältiger Pflege und Vorbeugung nicht vermeiden lassen, ist ein Eingriff lege artis angezeigt. Der Tierarzt wird dabei mit Sicherheit dafür sorgen, dass Folgeschäden so gering wie möglich ausfallen. Was ich jedoch konsequent ablehne sind Eingriffe, die aus reiner Bequemlichkeit oder aus Schönheitsgründen vorgenommen werden, auch wenn die wahren Gründe mit dem Deckmäntelchen angeblicher Fürsorge verschleiert werden sollen. Den "Vorbeugern" noch ein Wort auf den Weg - die konsequenteste Vorsorge wäre, erst gar keinen Hund zu halten, der kann sich dann auch nicht verletzen! -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbaucherschutz vom 14.09.2011 "Nach
§ 6 des Tierschutzgesetzes ist das vollständige oder teilweise
Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise
Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben verboten. Diese
Vorschrift schützt die Unversehrtheit der Tiere. Nach § 6 Absatz 1 Satz
2 des Tierschutzgesetzes gilt das Verbot nicht, wenn der Eingriff im
Einzelfall nach tierärztlicher Indikation geboten ist oder bei jagdlich
zu führenden Hunden für die vorgesehene Nutzung des Tieres unerlässlich
ist und tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen. Weitere, im
Tierschutzgesetz geregelte Ausnahmen betreffen nicht den von Ihnen
dargelegten Sachverhalt (Anmerkung: geschildert wurde die präventive
Entfernung der Daumen). Nicht im Tierschutzgesetz aufgeführte Gründe
einer Amputation oder Gewebezerstörung sind nicht zulässig. Zur Erklärung: das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbaucherschutz ist in der Bundesrepublik Deutschland zuständig für den Tierschutz und die damit im Zusammenhang stehende Gesetzgebung -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Und anbei noch ein schon etwas älteres Schreiben vom Deutschen Tierschutzbund, das allerdings nicht an Aktualität verloren haben dürfte -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Noch eine Fundstelle, es gibt längst ein europäisches Gesetz (Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren)
|